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  Kruzifix
 
gehört zu "Harker! Das Kreuz!" (Professor van Helsing in "Dracula - Jagd der Vampire")
"Wir nehmen das Kreuz mit. Dann kann uns doch gar nichts passieren." (Tom Fawley in "Dracula und Frankenstein, die Blutfürsten")
"Zurück, Dracula! Oder das Kreuz verbrennt dich!" (Jonathan Harker in "Dracula, König der Vampire")
"Maria, nimm das Kreuz! Ich nehme dieses." (Angelo Menares in "Gräfin Dracula, Tochter des Bösen")
"Sehen Sie das Kreuz, Professor Dark? Es zwingt Sie, uns Platz zu machen!" (Peter Griest in "Draculas Insel, Kerker des Grauens")
"Schergen-Toni! Die beiden Säbel bilden ein Kreuz. Siehst du es? Das Kreuz unseres Herrn vertreibt die Kreaturen der Hölle!" (Kurt Krohn in "Der Pakt mit dem Teufel")
"Ein Kreuz. Das Zeichen meines christlichen Glaubens." (Jonas Pray in "Die Insel der Zombies")
Zum Gegenstand Es ist schon ein Kreuz mit diesem Kreuz. Zweifellos ist es die Allzweckwaffe gegen Dämonen im allgemeinen und Untote im besonderen. Egal, wie dumm sich die Protagonisten der einzelnen Abenteuer auch anstellen - sobald sie auf den Gedanken kommen, das Kruzifix zu zücken, kann ihnen nichts mehr geschehen. Schön für sie, nicht ganz so schön für uns Hörer. Es ist zwar nichts gegen Happy Ends einzuwenden, aber gegen die Art ihres Zustandekommens, und die geradezu inflationäre Nutzung des Kruzifixes durch H.G. Francis hat nicht eben dazu beigetragen, daß packende Finalszenen zu einem Markenzeichen der Gruselserie wurden. Auf den Punkt gebracht hat das - wer sonst? - Tom Fawley: "Wir nehmen das Kreuz mit. Dann kann uns doch gar nichts passieren." Eben. Wenn der Hörer seine Helden mit diesem Wissen ins große Finale begleitet, ahnt er spätestens beim dritten Mal, daß das Finale nicht ganz so groß wird, wie er es sich erhofft hat.
Die Europa-Karriere des Kreuzes begann nicht erst in der Gruselserie. Erstmals taucht es in "Dracula - Jagd der Vampire" auf, eine Produktion, für die noch Konrad Halver verantwortlich zeichnete. Professor van Helsing bannt mit Hilfe des "heiligen Zeichens" zunächst die untote Lucy Westenraa, später bekommen auch die drei Vampirbräute und Dracula selbst die Macht dessen zu spüren, "der mächtiger ist als die Wesen der Finsternis". Schon hier ist das Kreuz der heimliche Held der Geschichte: Denn ohne die "widerwärtigen Gegenstände" (O-Ton Dracula) wären van Helsing, Jonathan Harker und Mina wohl nie aus dem Schloß des Grafen entkommen. So aber muß Dracula hungrig in seinen Sarg steigen.
Auch unter Francis' Federführung scheitert die Familie Dracula in unschöner Regelmäßigkeit an dem Kruzifix: In ausnahmslos jedem Dracula-Hörspiel der Gruselserie (vier an der Zahl) kommt es zum Einsatz. Den Anfang machte "Dracula und Frankenstein, die Blutfürsten": Dracula stellt sich auf Schloß Mordabrunn zwar als Graf Cula vor, doch als er Eireen Fox an die Gurgel geht, hilft ihm kein Inkognito: Tom Fawley hält ihm rasch das "kleine entzückende Kreuz", das er im Schloß gefunden hat, "unter die Nase", und verjagt so den Grafen in eine ungewisse Zukunft. Es ist einzig Toms Schusseligkeit zu verdanken, daß uns das Kreuz nicht auch noch den finalen Kampf mit dem partiell vampirischen Homunculus verdirbt: Tom vergißt das Kreuz nämlich im Auto, und so muß sich unser Reporterteam etwas anderes einfallen lassen. Recht so - zumal das auf Mordabrunn noch einmal gutgeht.
Den Trend setzte dann aber bereits die nächste Folge "Dracula, König der Vampire". Als Jonathan Harker und Mina, auf Schloß Dracula gefangen, zur entscheidenden Auseinandersetzung in die Gruft des Grafen hinabsteigen, gelobt Jonathan zwar, seine Wunderwaffe nicht einzusetzen ("Das hieße, das Kreuz zu entweihen"), doch der gute Vorsatz ist vergessen, sobald ihm Dracula die Zähne zeigt.
Das Kreuz diente in den Folgen 2 und 3 nicht nur der Bannung, sondern auch der Enttarnung von Vampiren. Auf Mordabrunn hält Tom es dem Homunculus "unter die Nase" (Tom hat es wohl mit dem Gesichtserker) und findet so heraus, daß Kopf und Hand des künstlichen Menschen tatsächlich einmal dem untoten Höllenboten Hemator gehört haben. Und auf Schloß Dracula vollzieht Harker mit Mina den Stirntest: Das Kruzifix brennt sich sofort in die Haut der jungen Frau, und selbst Harker, sonst eher etwas schwer von Begriff, schaltet sofort: "Graf Dracula hat dich gebissen!" Besonders im ersten Fall trägt das Kreuz entscheidend zur Spannung einer Szene bei, anstatt sie wie sonst eher zu zerstören. Aber das bleibt Ausnahme.
Im "Duell mit dem Vampir" schließlich zeigt sich ein weiteres Mal die Wichtigkeit des christlichen Symbols. Folge 6 ist die einzige Vampirgeschichte der Gruselserie, in dem die Helden, ausgerechnet die Fawleys, ohne Kreuz auskommen müssen, und was geschieht? Sie fallen den Vampiren in die Hände und werden ihresgleichen: Das schwärzeste Ende der ganzen Reihe, das im übrigen schon in der Schlußszene der "Blutfürsten" angelegt war (Eireen: "Was willst du mit dem Kreuz, Tommy?"). Die Begegnung mit Dracula hatten Tom und Eireen unbeschadet überstanden; Señorita Alvarez und dem dicken Doktor aber entkommen sie nicht. Wir wissen, woran es lag.
In "Gräfin Dracula, Tochter des Bösen" tritt die nächste Generation der Transsylvanien-Dynastie auf den Plan - sonst bleibt aber alles beim alten. Die Gräfin dezimiert die Reisegruppe, die sich vor einem Unwetter in das Haus Heinrichs des Seefahrers geflüchtet hat, bis Angelo und Maria Menares auf die Idee kommen, sich in die Kapelle des Hauses zu flüchten (Angelo: "Die heilige Mutter Gottes wird uns schützen"). Spätestens jetzt sollte die Tochter Draculas - das (vermeintliche) Ende ihres Vaters vor Augen - ihre Taktik ändern und das Ehepaar ziehen lassen. Tut sie aber nicht. Natürlich lauert sie den beiden auf, doch da die beiden Menares die Kapelle nicht ohne Kreuze verlassen, ist der Showdown buisiness as usual.
Auf "Draculas Insel" schließlich führt Francis, wohl inspiriert von diversen Kinogängen, dieses Handlungsschema in die Beliebigkeit. Dracula ist zwar so schlau, in einem kruzifixlosen Schloß zu wohnen, und die Schiffbrüchigen, die ihm und seinen Freunden den Garaus machen wollen, betreten sein Schloß "unbewaffnet". Doch wenn man kein Kreuz hat, bastelt man sich eben eins: Peter Griest und Elenor Dark entkommen Dracula, weil Griest aus zwei Kerzenständern ein Kreuz formt, das den Vampirfürsten bannt. Diese Kerzenständeridee hat Francis aus Terence Fishers "Dracula" (1958) übernommen; der Einfall stammte übrigens vom van-Helsing-Darsteller Peter Cushing. Im Anschluß vertreiben die beiden Flüchtenden den inzwischen untoten Professor Dark durch ein Kreuz, das sie mit ihren Armen bilden. Ob es Francis nun entschuldigt oder noch größerer Unoriginalität zeiht, mag jeder selbst entscheiden, aber auch das Kreuz aus Körperteilen ist nicht seine Erfindung, sondern tauchte schon in dem Episodenfilm "Die Todeskarten des Dr. Schreck" (1965) auf - bezeichnenderweise unter der Regie seines Namensvetters Freddie Francis.
Seinen längst überfälligen letzten Einsatz hatte das Kreuz dann in der nächsten Folge. Es kommt nicht von ungefähr, daß "Der Pakt mit dem Teufel" die einzige Episode ohne Todesopfer ist, denn der Schergen-Toni agiert als Seelenfänger auf Schloß Moosham von Anfang an eher glücklos. Das Kreuz gibt ihm dann den Rest. Erst wird es mal wieder aus Nutzgegenständen geformt (diesmal sind es Säbel), dann flüchten sich die Willes und die Krohns vor den "Kreaturen der Hölle" in die Schloßkapelle. Das Gruselserienfinale war damit endgültig zur Routine geworden, bestand aus den immer gleichen Versatzstücken. So konnte es nicht weitergehen.
Das dachte sich wohl langsam auch Francis. Wenn die Spannung wieder bis zur Schlußmusik halten sollte, mußten sich seine Protagonisten auch einmal selbst helfen, anstatt sich nur unter den Schutz göttlicher Symbole zu stellen. Und so verschwand das Kreuz aus den Skripten - ihm folgten Weihwasser, Silberkugeln, Pflanzenschutzmittel ... Aber Francis wäre nicht Francis, wenn er das Kreuz einfach stillschweigend eingemottet hätte, und so taucht es auf der "Insel der Zombies" plötzlich wieder auf. Der Aussteiger Jonas Pray trägt ein "Zeichen meines christlichen Glaubens" um den Hals, und einige etwas ältere Hörer malten sich wohl schon an dieser Stelle aus, wie er damit am Ende der zweiten Cassettenseite die Zombies in die Flucht schlagen würde. Doch weit gefehlt! Denn schon kurz darauf wird das Kreuz erstochen (Pray: "Die Feder hatte das Kreuz durchbohrt und steckte tief im Boden"), anschließend zerbricht Zombie Juana auch noch das Kreuz des Dieners Eric. Francis, der alte Ketzer, hat das Kreuz also geradezu exekutiert, zugleich aber auch dem Hörer signalisiert, daß Pray und Clarissa Deighton auf sich allein gestellt sind - so fördert das eigentlich so beruhigende Kreuz mit seinem letzten Auftritt noch einmal die Spannung.
Die Allzweckwaffe der Gruselserie bekam also einen ähnlich düsteren Abgang wie ihr Allzweckpaar, die Fawleys. Ein Ende zur rechten Zeit, denn man mag sich gar nicht vorstellen, wie stillos Grow auf das Kruzifix reagiert hätte. Er hätte es wohl nicht einmal bemerkt. Wahrscheinlich hätte er es einfach verputzt. (dl)
 
 
 

 

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© Die Gruselseiten (22. Juli 2002)