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Draculas Insel, Kerker des Grauens (10) Jim
 
Sprecher Michael von Rospatt
Markante Textbeiträge "Wenn's sein muß!"
"Herr Griest, können Sie sich nicht hinsetzen so wie die anderen auch? Müssen Sie immer herumlaufen?"
"Wenn's sein muß!"
"Ich muß mich setzen. Dies Sofa sieht verdammt bequem aus."
Zur Person Matrose auf der Brigg Santa Maria, die vor Draculas Insel (vorsätzlich, wie sich bald zeigt) auf Grund läuft. Unklar bleibt, ob Jim und Kapitän Humunk als dynamisches Duo die gesamte Crew bilden oder noch weitere Seeleute auf der Santa Maria angeheuert hatten. Zunächst berichtet uns der ansonsten allwissende Erzähler Günther Ungeheuer, an Bord sei neben den Passagieren und "dem düsteren Kapitän Humunk noch der Matrose Jim", sonst also niemand, doch schon wenige Sätze später verlassen laut Günther auch weitere Matrosen das sinkende Schiff. Was stimmt nun? Es ist zwar unrealistisch, daß ein zweimastiges Segelschiff nur von einem Kapitän und einem einzelnen Matrosen (noch dazu vom Temperament eines Jim) geführt werden kann; andererseits werden die ominösen übrigen Matrosen später weder noch einmal erwähnt, noch von irgend jemandem vermißt. Unterstellen wir mal, Jim sei tatsächlich der einzige, hat er sich auf der bisherigen Fahrt sicher ganz schön abrackern müssen. Umso phlegmatischer erscheint er auf festem Boden. Ist er zunächst noch ganz seinem Chef ergeben ("Sofort, Kapitän!"), reagiert er schnell auf jede Anordnung mit seinem leitmotivischen "Wenn's sein muß!".
Auch sonst fällt er nicht durch großen Einsatz oder besondere Emotionalität auf. Die meteorologischen Gegebenheiten auf der Insel ("Mistwetter!") belasten ihn weit mehr als der Tod des Kaufmanns Hammand ("Was mit ihm ist? Der ist mausetot, sehen Sie das nicht?"). Initiative entwickelt er erst, wenn ihn die Vampire unmittelbar bedrohen: "Wir müssen die Tür verriegeln und die Fenster!" Ansonsten ist er ganz froh, wenn er mal seine Ruhe hat - schon nachvollziehbar nach den mutmaßlichen Strapazen der Seereise und den ganzen Aufregungen rund um Dorans Hütte. Ruhe ist Jim aber nicht vergönnt - dafür sorgt schon Peter Griest. Dieser hyperaktive Student versucht die ganze Zeit durch hektische und meist nicht sehr effektive Aktionen zu gefallen, die aber höchstens die von ihm verehrte Professorentochter Elenor beeindrucken. Der etwas schlichte Jim ist quasi die Gegenfigur zu Griest: Ein verhinderter Arbeitsverweigerer, der auch am schönen Fräulein Elenor nicht das geringste Interesse hat.
Obgleich Jim wohl am liebsten in Dorans Hütte geblieben wäre ("Ich habe kein Verlangen danach, mit Dracula zu kämpfen"), begleitet er die anderen Schiffbrüchigen natürlich auf das Schloß des Grafen. Mußte halt sein. Und ironischerweise sorgt gerade er dort für den bewegendsten Moment der Episode: Als er den Kopf des längst als Homunculus entlarvten Kapitän Humunk (auweia ...) auf Geheiß von Peter Griest aus dem Fenster werfen will, läßt er sich von den falschen Versprechungen des Kopfes nicht beirren: "Ich werde auch so leben!" Hier klingt ausgerechnet aus dem Mund unseres faulen Matrosen ein Hauch von ernsthaftem Pathos, das man ihm am wenigsten zugetraut hätte.
Bevor er den Kapitänskopf aber in das "nasse Grab, das er schon lange verdient hat", versenkt, wird Jim vom selbigen in den Finger gebissen: Ein schlechtes Vorzeichen in einem Schloß voller Vampire. Und tatsächlich dauert es nicht lange, bis er in deren Gruft stürzt und selbst ein Untoter wird. Jim tut einem hier schon eher leid als zum Beispiel der alte Professor Dark, der es ja gar nicht so übel findet, Vampir zu sein. Zumindest ein geheimer Wunsch wird für Jim in seiner neuen Existenz aber in Erfüllung gehen: Von nun an kann er sich den ganzen Tag ausruhen. (dl)
 
 
 

 

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© Die Gruselseiten (27. Juni 2002)