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Dracula und Frankenstein, die Blutfürsten (2) Homunculus
 
Sprecher Ernst von Klipstein
Markante Textbeiträge [...]
Zur Person Künstlicher Mensch, den Dr. Frankenstein (lassen wir mal das Versteckspiel, Doktor) zusammen mit seiner Assistentin Dr. Finistra zusammengeschustert hat. Der Homunculus ist also einfach nur das klassische Frankenstein-Monster, jedenfalls von Hals bis Fuß. Sein Kopf und seine rechte Hand stammen nämlich vom vampirischen Höllenboten Hemator, der auf seinem Weg nach Schloß Mordabrunn von Dr. Finistra abgefangen und verstümmelt wurde. Die meiste Zeit liegt der Homunculus in Frankensteins Labor herum, und als Frankenstein ihn schließlich aufstehen läßt, ist er sogar noch um ein weiteres Organ reicher: Inzwischen hat Frankenstein nämlich noch das Hirn seiner verblichenen (von ihm ermordeten?) Assistentin in Hemators Ex-Kopf eingepflanzt. Das hätte er mal lieber bleiben lassen, denn nun hat der Homunculus nur noch Unsinn im Kopf. Finistra treibt in ihrem neuen Körper lauter destruktiven Schabernack, dem zunächst Frankenstein (oder auch nicht?) und dann auch noch fast Eireen Fox und Tom Fawley zum Opfer fallen.
Klingt kompliziert. Das ist auch kein Wunder, handelt es sich bei dem Homunculus doch um eine der mysteriösesten Gestalten der Gruselserie. Am Ende mögen sein Kopf und seine rechte Hand im Sonnenlicht vergehen, doch zurück bleibt nicht nur sein Rumpf, sondern auch eine Reihe von Fragen:
Das erste große Rätsel war seine Stimme. Jahrelang blieb verborgen, wer der geheimnisvolle Andreas Weber war, der laut Besetzungsliste die markerschütternden, unartikulierten Schreie des Homunculus ausgestoßen hatte. No-name Weber wurde schließlich als Europa-Veteran Ernst von Klipstein enttarnt. Doch warum hatte von Klipstein sich hinter einem derart einfallslosen Pseudonym verborgen? Hatten ihn Namen wie "Dr. Stein" oder "Graf Cula" inspiriert? Oder war er mit der Rolle unzufrieden, die ihm kein einziges Wörtchen Text gönnte? Das hatte ihrerzeit doch weder Boris Karloff noch Christopher Lee abgehalten ...
Innerhalb der Handlung ist die Lage nicht klarer. Im Gegenteil: Stammt der Homunculus nun aus der Retorte, oder wurde er - in bester Frankenstein-Tradition - komplett aus Leichenteilen zusammengefügt? Frankenstein vertritt gegenüber Tom und Eireen die Retortenversion. Auf Toms zweifelnde Nachfrage hin bestätigt Dr. Finistra die Aussage ihres Chefs, um gleich danach ein wenig verlegen einzuräumen: "Kleine Korrekturen waren nötig. Einige Operationen, Sie verstehen?" Nun, wir wissen ja, was Dr. Finistra hier zu vertuschen sucht. Und es erscheint auch merkwürdig, daß ein künstlicher Mensch in der Retorte auf die stattliche Größe von über zwei Meter wächst, der Kopf und eine Hand aber völlig auf sich warten lassen. Wen würde es wundern, wenn Frankenstein und Finistra noch andere Leichen im Keller hätten?
Weiter: Warum gab Finistra dem Homunculus den Kopf und die Hand Hemators? Lebensfähiger macht das den künstlichen Menschen ja nicht. Wollte sie einfach ihrem Chef und dem selbsternannten Hausherrn Dracula gleichzeitig eins auswischen und so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen? Oder glaubte sie, dem Homunculus gerade durch einen vampirischen Kopf Unsterblichkeit zu verleihen?
Nun mal zu Frankensteins Rolle: Wieso erweckt er den Homunculus zum Leben, obwohl Tom ihn über die vampirischen Teile seines Geschöpfes aufgeklärt hat? Und warum nur hat er ihm zuvor noch ausgerechnet Finistras Gehirn eingesetzt, die er selbst als "Wahnsinnige" durchschaut hat und die ihm ja offensichtlich nur Böses wollte? Wieso benutzt er nicht Hemators Hirn, das ja schon an Ort und Stelle ist? Wo ist Hemators Hirn eigentlich geblieben? Und wie schafft er es, den Homunculus binnen kürzester Zeit ohne fachkundige Assistenz zu beleben, obwohl Finistra noch am gleichen Abend gemutmaßt hatte, das würde noch etwa zwei Tage dauern? Warum hat er - nach all dem Ärger - das Monster überhaupt noch an diesem jungen Morgen auf die Beine gebracht? Um Tom und Eireen zu beeindrucken? Das zumindest ist ihm sicher gelungen - wenn auch anders, als er es sich gedacht haben dürfte.
Zu guter Letzt: Warum ist eigentlich - sogar in den Credits - immer vom "Humunculus" die Rede, obwohl es doch korrekt "Homunculus" heißen müßte? Ein Druckfehler? Ein weiterer Seitenhieb auf die lückenhaften Lateinkenntnisse Frankensteins ("homo futura")? Oder handelt es sich hierbei um den letzten aller Decknamen?
Die Spekulationen über den Homunculus sind letztlich langlebiger als er selbst. Denn kaum streift er Schwerter schwingend durch die Gänge von Schloß Mordabrunn, zieht sein Todesengel Tom auch schon auf Eireens Geheiß die Vorhänge zurück, und die Sonnenstrahlen beenden seine ebenso kurze wie fragwürdige Existenz. Nur eines läßt sich über ihn mit Sicherheit sagen: Das konnte ja nicht gutgehen. (dl)
 
 
 

 

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© Die Gruselseiten (15. April 2002)