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Draculas Insel, Kerker des Grauens (10) Hammand
 
Sprecher Gottfried Kramer
Markante Textbeiträge "Ich bin etwas langsam, aber ich komme auch an mein Ziel."
"Ich bin's, dein Freund ... Hammand."
"Komm, zeig' mir deinen Hals. Aaach, er ist so schön, ich möchte deinen Hals küssen, komm zu mir! Ja, so! Du bist mein liebes Mädchen, mmmm..."
Zur Person Kaufmann, der sich als Passagier des Segelschiffs Santa Maria aber nur Ärger einhandelt. (Ein zu hoher Blutdruck ist nicht gerade eine gute Voraussetzung, um auf einer Vampirinsel zu überleben.) Zudem ist die Figur Hammand ein perfektes Beispiel dafür, wie die Verantwortlichen bei Europa mit einem Minimum an Aufwand einen maximal einprägsamen Charakter erschaffen können. Das fängt schon bei der Besetzung an: Obwohl nur eine Nebenrolle, wurde Hammand mit Gottfried Kramer ein A-Sprecher zugeteilt. Kramers Stimme ist unverwechselbar, aber er gab jedem von Hammands Auftritten - es sind insgesamt drei - eine eigene Note.
Da ist zunächst der nette, ältere Herr: Als sich die Gestrandeten einen Unterstand suchen, bleibt der korpulente Hammand hinter den anderen zurück. Aus Rücksichtnahme verzichtet er jedoch auf Peter Griests Hilfe: "Gehen Sie nur, junger Mann, gehen Sie nur." Besonders tragisch erscheint seine naive Gewißheit: "Ich bin etwas langsam, aber ich komme auch an mein Ziel." Mit diesen gerade mal zwei Sätzen ist er sich unserer Sympathie sicher. Und unseres Mitleids: Ein hilfloser, alter Mann kommt nicht mehr ganz mit. Immer auf die kleinen Dicken.
Hammands Tod erscheint uns somit - pardon - schwerwiegender als das Schicksal so mancher Hauptfigur aus anderen Hörspielen der Reihe. Insbesondere da Trauer und Schock über diesen Verlust beständig wachgehalten werden: "Dem hilft kein Rufen mehr. (...) Der ist mausetot, sehen Sie das nich?" stellt Jim erbarmungslos fest. "Keiner hatte den Kaufmann Hammand so recht gekannt, aber sein Tod erschreckte sie alle", berichtet der Erzähler. Und Elenor Dark bittet darum, den Toten nach nebenan zu tragen: "Ich konnte den armen Herrn Hammand nicht mehr sehen. Er ist so bleich und sieht so schrecklich aus." Und selbst, nachdem er sie als Wiedergänger attackiert hat, ist Elenor noch voller Mitleid: "Hammand. Es war der arme Hammand." Kurz: H. G. Francis läßt keinen Zweifel daran, daß man Hammand etwas wirklich Schlimmes und Trauriges angetan hat, und daß wir sein Ende ernst nehmen müssen. Francis hat nun also mit Hammands Hilfe bereits zwei Urängste in uns geweckt - das Verlassenwerden und den Tod (zumal den Tod der Unschuld).
Nun kommt es zu einem der gelungensten (Halbzeit-)Showdowns der Gruselserie, der Merikaras schleppenden Schritten auf den Stufen der Grabkammer in nichts nachsteht. Hammands Leichnam wurde offenbar von Dracula persönlich aus der Hütte gestohlen. Noch eine Stunde und es wird hell. Da steht er plötzlich wieder vor der Tür und erfleht Einlaß. Und wahrhaftig, wenn wir nicht das Gesetz des Genres kennen würden, auch wir kämen ins Grübeln, so eindringlich und zugleich so überzeugend klingt Kramers Stimme hier. Seine formal korrekte Anrede "Natürlich bin ich es, Herr Griest" läßt Hammand durchaus vertrauenswürdig erscheinen. Sein verzweifeltes "Aufmachen! Aufmachen!" klingt mitleid- und furchterregend zugleich.
Erst beim dritten Auftritt ist der alte, liebenswerte Hammand völlig weggewischt. Durch eine Luke im Boden - entsetzlich, wie angreifbar dieses enge, kleine Haus ist - kriecht Hammand in Elenors Schlafzimmer. Nachdem er soeben seine Version von "Der Wolf und die sieben Geißlein" dargeboten hat, begegnen wir hier dem "Rotkäppchen"-Stoff wieder: "Was ist mit deinen Zähnen?" Nur wird diese Version des Märchens, da für Pubertierende konzipiert, um einiges deutlicher. Francis' Text und Kramers Interpretation machen völlig klar, daß wir hier Zeugen einer Quasi-Vergewaltigung werden: "Nichts, Elenor, nichts, wovor du dich fürchten müßtest. Komm, zeig' mir deinen Hals! Aaach, er ist so schön, ich möchte deinen Hals küssen, komm zu mir. Ja, so! Du bist mein liebes Mädchen, mmmm ..."
Hammand ist im Verlauf der Handlung von einem mitleiderregenden Opfer über eine zwiespältige Bedrohung zu einem gefährlichen Raubtier geworden, das mit Herablassung ("Narren ...") auf seine alten Gefährten herabsieht. Er ist potenter und zugleich schuldiger, ergo erwachsen geworden. Das bringt die Faszination, die ein Vampir auf die jugendliche Hörerschaft ausüben kann, auf den Punkt ... (vp)
 
 
 

 

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© Die Gruselseiten (12. März 2002)