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Dracula und Frankenstein, die Blutfürsten (2)

Dracula, König der Vampire (3)

Draculas Insel, Kerker des Grauens (10)

Dracula, Graf
... die Verfilmungen
 
Markantes Zitat "Ich bin nur auf der Suche nach dem Kinematographen. Ich hörte, er sei ein Wunderwerk der zivilisierten Welt." (Graf Dracula in "Bram Stoker's Dracula")
Zu den Verfilmungen Wieviele Dracula-Filme es gibt, weiß wohl niemand ganz genau. Das Guinness-Buch nennt eine Zahl nahe der 200, doch ob das wirklich alle sind, ist zweifelhaft. Ein weiteres Problem für die Chronisten ist, daß längst nicht überall, wo Dracula draufsteht, auch Dracula drin ist. Gerade deutsche Verleiher haben Dracula vor allem in den 60er und 70er Jahren in Titeln von Filmen auftauchen lassen, die mit dem Grafen selbst oder auch nur mit dem Vampirstoff nichts zu tun haben; als Beispiel nenne ich "Draculas Todesrennen" (1976) von Charles Band. Aus diesen und auch aus Platzgründen werde ich mich hier auf die wichtigsten Adaptionen und die Verfilmungen, die die Gruselserie in welcher Art auch immer beeinflußt haben, beschränken. Das sind aber auch schon eine ganze Menge, und den Anfang machte mal ausnahmsweise nicht Hollywood:

Die erste Dracula-Verfilmung im eigentlichen Sinne ist der auch heute noch über Cineastenkreise hinaus berühmte "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" (1921) des deutschen Meisterregisseurs Friedrich Wilhelm Murnau. Murnau war auf Bram Stokers Roman aufmerksam geworden, erwarb aber, um Geld zu sparen, nicht die Filmrechte (einer anderen Version zufolge wurden ihm die Rechte von Stokers Witwe verweigert), sondern änderte einfach die Schauplätze und die Namen der Figuren und begann zu drehen, was später noch zu einigem juristischen Ärger und fast zur Vernichtung des Films führte. Inhaltlich hält sich Murnau zumindest in der ersten Hälfte einigermaßen an die Romanhandlung, wodurch sich auch einige Parallelen zur Gruselserie ergeben. So ist Thomas Hutter (= Jonathan Harker) taub für alle gutgemeinten Warnungen vor Graf Orlok (wer mag das wohl sein?); das letzte Teilstück seiner Reise legt er in der Kutsche des Grafen zurück, die dieser natürlich selbst lenkt; er wird von Orlok selbst bewirtet und hat schon von Anfang an gewisse Vorbehalte gegen seinen Gastgeber. (Nur am Rande: Der Graf, der seine Gäste in fast allen Filmen bewirtet, muß, wie Mina in "Dracula, König der Vampire" richtig anmerkt, das Essen selbst zubereitet haben. Ich möchte nur einmal einen Film sehen, in dem man Dracula mit Kochmütze und Schürze in der Küche stehen und in Töpfen rühren sieht!) Nach einigen unschönen Tagen - oder eher Nächten - findet Hutter Orlok in einem Sarg liegend vor, woraufhin er entsetzt die Flucht ergreift. Orlok selbst bricht per Schiff nach Wismar auf und saugt nach und nach die ganze Mannschaft aus, so daß schließlich ein Geisterschiff im Zielhafen einläuft. Das wird in "Dracula - Jagd der Vampire" immerhin kurz erwähnt. In Wismar stellt der Graf Hutters Frau Ellen (klar: Mina) nach, die er auf einem Bild Hutters gesehen und wegen der er die Reise überhaupt auf sich genommen hat. Ellen läßt Orlok schließlich an ihren Hals, aber nur, um ihn den Hahnenschrei vergessen zu lassen. So geschieht es, und Orlok löst sich, während auch Ellen stirbt, in den ersten Sonnenstrahlen auf. Dies ist als Ende schon deshalb interessant und für das Genre wichtig, weil es Stoker absolut widerspricht. Bei Stoker können sich Vampire, nachdem sie geruht haben, auch bei Tageslicht frei bewegen. Die mal mehr, mal weniger drastisch inszenierte Auflösung Draculas im Sonnenlicht ist aber filmisch wirkungsvoller als das schlichte Pfählen des ruhenden Vampirs und ist wiederholt übernommen worden; nicht zuletzt H.G. Francis hat sich diese Variante zu eigen gemacht (es sei denn, die Vampire haben Werwolfsblut getrunken, aber das ist nun wirklich eine andere Geschichte).
Was an Murnaus Stummfilm wirklich erstaunt: Er ist tatsächlich gruselig, wenn man ihn sich allein im Dunkeln ansieht. Das liegt natürlich am Orlok-Darsteller Max Schreck (für das Genre ein ebenso schöner Name wie Günther Ungeheuer). Überzeugender, "authentischer" ist ein lebender Toter nie mehr gespielt worden. Doch gerade diese Meisterleistung ist der größte Bruch mit der Vorlage und auch den späteren Bearbeitungen: Denn mit Stokers Graf hat dieser Orlok nichts mehr zu tun. Orlok ist nicht der dekadente, morbide, aber auch charmante Aristokrat mit Blutdurst, sondern ein häßliches, insektenhaftes, völlig isoliertes Etwas, ein reines Triebwesen. Irgendwo wurde Orlok einmal als "wandelnder Phallus" bezeichnet, und da ist schon was dran.

Hollywood ließ sich bis zum Tonfilm Zeit mit einer eigenen Dracula-Version. Der Streifen, den die Universal dann aber 1931 in die Kinos brachte, sollte trotz seiner Mängel so definitiv werden, daß bis zur nächsten ernsthaften Dracula-Adaption über 25 Jahre vergingen. "Dracula" von Tod Browning orientiert sich weniger an dem Roman als an dessen Bühnenfassung von Hamilton Deane und John L. Balderston und ist ein eher ein geschwätziger Film, dessen inhaltliche Höhepunkte der Zensur zuliebe fast nie gezeigt, sondern von den Figuren nur diskutiert werden (etwa daß Dracula Mina zwingt, sein Blut zu trinken). Daß der Film zum Klassiker wurde und immer noch viel Spaß macht, hat einen Grund: Bela Lugosi. Der Ungar hatte bereits am Brodway als Dracula Triumphe gefeiert und war nach dem plötzlichen Ableben von Lon Chaney, dem Horrorstar der 20er Jahre, für den Film engagiert worden. Lugosi war sicherlich kein großer Schauspieler, aber der Dracula war DIE Rolle seines Lebens, und auch wenn seine Chargierei und seine starren Blicke veraltet und zum Teil auch unfreiwillig komisch sind, schuf er doch mit seiner Darstellung fast alles von dem, was der Durchschnittsbürger mit Dracula assoziiert. Sein Dracula ist der morbide, dekadente, aber auch lyrische Aristokrat, der Max Schreck eben nicht war. Meiner Meinung nach ist Lugosi auch für die Gruselserie entscheidend: Kein Dracula-Darsteller erinnert mich (gerade in der Synchronfassung) so sehr an Charles Regnier wie Lugosi: beide kultiviert, beide eigen und mit mit merkwürdigem Gehabe, aber durch und durch böse - da stimmten die Strickmuster noch! Am deutlichsten ist diese Parallele in den Szenen auf Schloß Dracula, die auch die besten des Filmes sind. Hier besucht nicht Harker, sondern Renfield den Grafen in Transsylvanien. Renfield ist im Roman ein Wahnsinniger, der Dracula aus unbekannten Gründen verfallen ist - eine herrliche Figur, die in diesem Film von dem grandiosen Dwight Frye gespielt wird. Schade, daß Francis sie nie in die Gruselserie eingebaut hat. Hier übernimmt Renfield zunächst die Rolle Harkers, inklusive der vergeblichen Warnungen und der nächtlichen Kutschfahrt. Dracula spricht in seiner Gegenwart erstmals von den "Kindern der Nacht" und ihrer wundervollen Musik, und auch die drei Vampirbräute kommen zu Leinwandehren. Mit Dracula diskutieren dürfen sie hier aber noch nicht, vielmehr vertreibt er sie mit einem strengen Wink von dem inzwischen ohnmächtigen Renfield, um sich selbst zu bedienen. Danach wird Renfield der Dracula-hörige, insektenfressende Wahnsinnige des Romans. Ebenfalls interessant ist, daß Dracula auch eine gewisse Todessehnsucht äußert. So sagt er einmal: "Zu sterben, wirklich tot zu sein - das muß was Wunderbares sein. Es gibt viel schlimmere Dinge, die der Mensch erleben kann, als den Tod." Wer denkt da nicht an Gottfried Kramers Dracula aus den "Blutfürsten", der sich, an der Unsterblichkeit leidend, nur noch nach Erlösung sehnt? Die sexuelle Komponente ist hier zwar eher nebensächlich, aber durchaus vorhanden. So fühlt sich Minas Freundin Lucy schon nach der ersten Begegnung zu Dracula hingezogen (die zweite überlebt sie nicht), und als Dracula sich an Mina verköstigt, zeigt sie in seiner Gegenwart deutlich sexuelle Erregung und wandelt sich auch zu einem kleinen Vamp. Letztlich nützt das dem Grafen alles nichts: Am Ende wird er von Van Helsing gepfählt. (Zeitgleich entstand nach dem gleichen Drehbuch übrigens auch eine spanische Version des Films, die nachts in den gleichen Kulissen gedreht wurde. Den Dracula spielte ein gewisser Carlos Villar.)

Trotz des enormen Erfolges tat sich die Universal mit einer Fortsetzung schwer. Dracula war nun einmal tot, und das war damals noch ein Argument. 1936 kam dann doch ein Sequel, das es leider bis heute nicht nach Deutschland geschafft hat, bei dessen Titel die Freunde der Gruselserie aber hellhörig werden: "Dracula's Daughter". Inhaltlich hat dieser Film zwar nichts mit "Gräfin Dracula, Tochter des Bösen" zu tun, aber woher Francis die Idee hatte, Dracula könne Vater einer Tochter sein, ist wohl geklärt. In einer Nebenhandlung muß sich Van Helsing übrigens für die Ermordung (!) Draculas vor Gericht verantworten, was ich für eine ganz lustige Idee halte. Wie mit dem ganzen amerikanischen Gruselfilm sollte es auch mit dem Grafen in den Folgejahren bergab gehen. In "Son of Dracula" (1943) kommt zwar entgegen des Titels der Graf selbst vor, den es inzwischen in die Südstaaten der USA verschlagen hat, doch ist er mit dem massigen Trauerkloß Lon Chaney jr. absolut fehlbesetzt. Zumindest durfte sich Chaney nach diesem Film damit schmücken, der erste schnurrbärtige (was ja auch so im Roman steht) Dracula der Filmgeschichte gewesen zu sein. Übrigens gibt sich Dracula hier den wenig einfallsreichen Decknamen Alucard (lest das mal rückwärts) - Graf Cula läßt grüßen. Höhepunkt des Films ist eine Szene, in der sich Dracula in eine übergroße Fledermaus verwandelt. Der Filmtitel "Uncle of Dracula" blieb den Zuschauern zwar glücklicherweise erspart, dafür verzichtete die Universal in der Folge leider auf Plots. Die Filme "House of Frankenstein" (1944) und "House of Dracula" (1945) sind eher Nummernrevuen mit Frankensteins Monster, dem Wolfsmenschen und natürlich Dracula, der nun von dem unterforderten John Carradine gespielt wurde. Es ist aber immerhin möglich, daß Francis seine Vorliebe, verschiedene Horrormythen zu kombinieren, von dem Konzept dieser Filme "abgeschaut" hat. Ihren traurigen Abschluß fanden die Universal-Horrorfilme fast logischerweise in einer - wenn auch gelungenen - Komödie: "Abbott und Costello treffen Frankenstein" (1948). Nebenbei treffen sie auch Dracula, nun wieder in Gestalt von Bela Lugosi, damals schon schwer drogensüchtig und 66 Jahre alt. Als Lugosi 1956 starb, wurde er auf seinen eigenen Wunsch hin in seinem Dracula-Cape bestattet. Die Amerikaner hatten genug von den alten Monstern und gruselten sich nun lieber bei Science-Fiction-Horror, wie ihn Jack Arnold zur B-Film-Perfektion brachte und der ja auch in der Gruselserie zu seinem Recht kam. Den klassischen Horror und damit auch den Grafen wieder aus der Gruft hervorzuholen, blieb den Europäern, diesmal den Briten, überlassen:

1958 begann mit Terence Fishers "Dracula" die lange Reihe von Dracula-Filmen aus den britischen Hammer-Studios, die zwar unter noch sparsameren Bedingungen als die Universal-Streifen entstanden, dafür aber in Farbe waren - und Fisher ließ das Blut reichlich und in sattem Rot fließen. Den Dracula spielte hier erstmals Christopher Lee. Lee ist vielleicht der bekannteste Dracula-Darsteller der Filmgeschichte - wenn ich richtig gezählt habe, hat er den Grafen neunmal gespielt -, der beste ist er meines Erachtens längst nicht. Das liegt nicht an ihm: Lee hätte vielleicht einer der besten werden können, aber Hammer haben aus seiner beeindruckenden Gestalt so gut wie nichts gemacht, was Lee auch oftmals - und völlig zurecht - beklagt hat. Schon in seinem ersten Film ist Lee vielleicht fünf Minuten im Bild, und der einzige Text, den er hat, sind einige höfliche Phrasen an Jonathan Harker, als er ihn in seinem Schloß willkommen heißt. Ansonsten hat er sich auf Fauchen und Knurren zu beschränken. Eigentliche Hauptfigur des Films ist Van Helsing, dargestellt von Peter Cushing, dem besten Schauspieler in Hammers Diensten. Er ist es, der den Grafen durch den ganzen Film jagt, bis er ihn in einem großen Showdown auf Schloß Dracula stellt und ihn mit zwei zum Kreuz zusammengehaltenen Kerzenständern ins Sonnenlicht treibt, in dem der Graf schreiend zu Staub zerfällt. Hier wird also nicht nur die vampirische Lichtallergie wieder aufgegriffen, sondern auch die Möglichkeit eingeführt, wirkungsvolle Kreuze aus Alltagsgegenständen - oder auch Körperteilen - zu bilden, von der Francis bekanntermaßen ein wenig exzessiv Gebrauch gemacht hat (ich erinnere nur an "Der Pakt mit dem Teufel" oder "Draculas Insel"). Auch die sexuelle Ebene wird von nun an stark betont. Die erotische (?) Ausstrahlung von Lee vermag ich nicht zu beurteilen, aber daß die Damen des Films vor dem Vampirbiß, der hier auch wiederholt als Kuß bezeichnet wird, äußerst erregt sind, ihre Nachthemden aufknöpfen usw., soll eine solche offensichtlich unterstellen. Es ist kein Zufall, daß Dracula in den miefigen 50er Jahren, die dem viktorianischen Zeitalter an Doppelmoral und Verklemmtheit in nichts nachstanden, seine Auferstehung feierte. Damals mußte sich die Darstellung sexueller Begierde noch hinter dem Vampirismus verstecken. Darüber hinaus ist Lee der erste Dracula mit langen Eckzähnen, und jeder, der sich einmal die Dracula-Zeichnungen auf den Europa-Hüllen angesehen hat, kann sich denken, welcher Schauspieler hier als Vorbild diente.

Der Film war ausgesprochen erfolgreich; dennoch sollte es der Graf bei Hammer nie wirklich gut haben. In der Fortsetzung "Dracula und seine Bräute" (1960) kommt Dracula selbst gar nicht vor. Vielmehr gibt es ein Wiedersehen mit Peter Cushing als Van Helsing, der den vampirischen Baron Meinster bekämpft. Der Film ist sehr unterhaltsam und wird von einigen über den "Dracula" von 1958 gestellt, aber ein Dracula-Film ist er eben trotzdem nicht. Erst 1966 erhob sich Christopher Lee in "Blut für Dracula" wieder aus dem Grab. Und mit diesem Film begann dann auch der qualitative Niedergang des Hammer-Dracula. Die Handlung kommt nicht in Fahrt, und die Texte waren so schlecht, daß Lee sich weigerte, sie zu sprechen. Folglich bleibt Dracula bis zu seinem erneuten Ableben stumm. Dem Publikumsgeschmack folgend, steigerten Hammer in den nächsten drei Filmen "Draculas Rückkehr" (1968), "Wie schmeckt das Blut von Dracula?" (1970) und "Dracula - Nächte des Entsetzens" (1970) Sex und Gewalt, doch dadurch wurde Dracula nur zu einem x-beliebigen Bösewicht, und da die Leute 1970 nicht mehr den Umweg über einen "viktorianischen" Dracula-Film brauchten, um Sex und Gewalt zu sehen, wurden die Streifen immer erfolgloser. In "Dracula - Nächte des Entsetzens" stirbt Dracula übrigens während des Schlußkampfs durch einen plötzlichen Blitzschlag - also genauso, wie Dr. Frank "im Monster-Labor" bei seinem Kampf mit Bob Brown aus dem Leben scheidet. Um zu retten, was noch zu retten war, vollzogen Hammer nun einen konzeptionellen Wechsel und verlegten den Stoff mit "Dracula jagt Mini-Mädchen" (1972) in die Gegenwart, ein Schachzug, den auch Francis bei den "Blutfürsten" anwandte. Doch Dracula in Gesellschaft von satanischen Hippies (wie distinguierte Filmproduzenten sich das so vorstellen) ist nur ein alberner Anachronismus, was auch Lee zunehmend frustrierte. Nach "Dracula braucht frisches Blut" (1974), in dem Dracula nur nebenbei Vampir ist und ansonsten eher wie ein Superschurke aus einem James-Bond-Film wirkt (einen solchen sollte Lee kurz darauf in "Der Mann mit dem goldenen Colt" spielen), hängte Lee das Vampir-Cape an den Nagel. Nur noch einmal spielte er danach den Grafen, in der französischen Komödie "Die Herren Dracula" (1977). Für den letzten Hammer-Dracula-Film "Die sieben goldenen Vampire" (1974) wurde der Graf mit dem unfreiwillig komischen John Forbes-Robertson besetzt. Der Dracula-Mythos wurde mit der aufkommenden Kung Fu-Welle kombiniert, das Kamikaze-Pfählen (!) erfunden, kurz: ein Schrottfilm produziert, bei dem auch Peter Cushing nichts mehr ausrichten konnte. Aber lieber ein Ende mit Schrecken als ...

Doch selbst in ihren schlimmsten Phasen produzierten Hammer natürlich nicht den größten Trash. Im Gegenteil wurde der Markt in den 60er und 70er Jahren mit Mist aus allen Ländern der Welt, vornehmlich vom europäischen Festland, überschwemmt. Exemplarisch nenne ich hier einige dieser vergessenswerten Zelluloidverschwendungen, deren interessanteste Aspekte für Gruselserienfans die Titel (und glaubt mir: wirklich nur die!) sind: "Draculas Tochter und Professor Satanas" (Mexiko 1969), "Dracula jagt Frankenstein" (BRD/Italien/Spanien 1970), "Draculas Bluthochzeit mit Frankenstein" (USA 1971), "Lady Dracula" (BRD 1975) und nicht zuletzt "Graf Dracula (beißt jetzt) in Oberbayern" (BRD 1979). Gleichzeitig begannen in den 70er Jahren aber auch völlig unterschiedliche Filmemacher, sich wieder Stokers Roman zuzuwenden, und es entstanden einige Versuche zu qualitativen, zumindest halbwegs werkgetreuen Adaptionen. Den Anfang machte ausgerechnet der berühmt-berüchtigte spanische Trashfilmer Jess Franco (alias Jesus Franco Manera alias Adolf M. Frank alias Clifford Brown jr. alias etc.: bei imdb.com finden sich über fünfzig verschiedene Pseudonyme) mit "Die Stunde, wenn Dracula erwacht" (1970). Durch seine Ankündigung, die erste werkgetreue Adaption drehen zu wollen, konnte Franco sogar Christopher Lee gewinnen. Der wird sich sicher bald ordentlich verschaukelt gefühlt haben. Denn auch wenn sich Franco mehr oder minder am Roman orientiert, ist der Film ein derartiger handwerklicher Offenbarungseid, daß dagegen selbst die späten Hammer-Filme wie epochale Kunstwerke wirken. Die Kameraführung erinnert an Privatvideos von Omas 80. Geburtstag, der Wechsel zwischen Tag und Nacht erfolgt im Sekundentakt, und die innere Logik hat sich auch gut versteckt: So ist Van Helsing infolge eines Schlaganfalls an den Rollstuhl gefesselt, kann in der nächsten Szene aber schon wieder gehen.
1974 folgte eine originellerweise "Dracula" geheißene TV-Fassung von Dan Curtis, in der der Bösewicht vom Dienst Jack Palance den Grafen geben durfte. Der Film führt das Motiv ein, daß Dracula in einer Dame aus Jonathan Harkers Umfeld, hier Minas Freundin Lucy, seine vor Jahrhunderten verblichene Gattin wiederzuerkennen glaubt. Zudem wird erstmals auf den historischen Dracula Bezug genommen. Die Dracula-Gestalt erfuhr von nun an also eine differenziertere, in die Tiefe gehende Darstellung, für die schon aus Zeitgründen in der Gruselserie kein Platz war. Deren Konzept recht eindeutiger Rollenverteilung wurde spätestens ab diesem Film aufgegeben.

1979 war wieder ein gutes Jahr für die Freunde des Grafen. Gleich drei Filme buhlten um die Gunst der Zuschauer, und nach langen Jahrzehnten war darunter wieder ein nennenswerter deutscher Beitrag: Mit "Nosferatu - Phantom der Nacht" legte Werner Herzog, ein vor allem in den USA und Frankreich populärer Vertreter des sogenannten Neuen Deutschen Films, ein Remake des Stummfilmklassikers vor, wobei er aber die Namen aus dem Roman verwendete. Den Dracula spielte Herzogs Stamm-Hauptdarsteller Klaus Kinski, und einen derart frustrierten, gelangweilten, nur noch den Tod suchenden Vampir hat man nie zuvor gesehen: "Können Sie sich vorstellen, daß man Jahrhunderte überdauert und jeden Tag dieselben Nichtigkeiten miterlebt?" Oder: "Sterben ist Grausamkeit an Ahnungslosen, aber der Tod ist nicht alles. Es ist noch viel grausamer, nicht sterben zu können." Ganz recht: Im Vergleich dazu steht Gottfried Kramer noch mit beiden Beinen im Leben, bzw. im Untot-Sein. Ansonsten bleibt Herzog in seinem wirklich sehenswerten Film (den viele aber auch für ziemlich langweilig halten) nahe an Murnaus Original, mit der entscheidenden Ausnahme, daß Harker, selbst zum Vampir geworden, nach Draculas Tod dessen Erbe antritt und Verderben über die Welt bringt, ohne daß ihm das Sonnenlicht etwas anhaben kann. Und das - Respekt! - ganz ohne Werwolfsblut. Uns aber kommt natürlich das Ende der Fawleys in den Sinn ...
In eine ganz andere Richtung geht die Klamotte "Liebe auf den ersten Biß" mit George Hamilton. Zumindest die Ausgangssituation ist originell: Dracula wird von den Kommunisten enteignet, die aus seinem Schloß ein Trainingslager für rumänische Turnerinnen machen wollen, und emigriert in die USA, wo er als exotischer Gigolo (hat Hamilton je etwas anderes gespielt?) einem Model nachstellt. Es kommt endlich einmal zu einem Happy End für den Grafen, und am Schluß flattern er und seine Angebetete in die dunkle Nacht davon.
Als Dritter im Bunde drehte John Badham mit "Dracula" eine amerikanische Großproduktion mit Starbesetzung. Dieser unterschätzte Film ist meines Erachtens eine der besten Adaptionen überhaupt. Neben Laurence Olivier als Van Helsing spielte Frank Langella den Dracula. Ähnlich wie Lugosi hatte Langella die Rolle zuvor am Broadway mit überwältigendem Erfolg gespielt. In diesem eher ruhigen, unblutigen Film verkörpert er den Grafen als vampirischen, attraktiven Dandy, der kalt berechnend seine Ziele verfolgt, zugleich aber nicht frei von Gefühlen ist, und im Gegensatz zu Kinski in "Nosferatu" auf seine Weise leben will. Zwar äußert auch er Resignation ("Es gibt Schlimmeres als den Tod, das müssen Sie mir glauben. Ich habe viele Freunde zu Grabe getragen und bin selbst sehr müde."), doch sehnt er sich nicht nach dem Tod, sondern nach dem Ende seiner Einsamkeit. Sein Verhängnis beginnt, als er sich in Harkers Verlobte Lucy (seltsamer Namenstausch) verliebt (!). Spätestens ab diesem Film kommt bei Dracula zusätzlich zu der erotischen Komponente also die Liebe ins Spiel. Beides hatte natürlich in den Hörspielen keinen Raum jenseits gewisser Anspielungen der Bräute im "König der Vampire" und dem Gespräch zwischen Dracula und Lucy in der "Geschichte des berühmten Vampirs" (Regnier zum Schreien komisch: "Ich werde dich küssen so feurig ..."); allerdings bleibt das Verlangen in den Hörspielen einseitig vom Vampir ausgehend, die Opfer bleiben Opfer und werden nicht zu heimlichen Verbündeten. Am Ende schaut Dracula auch hier ein wenig zu lange in die Sonne; jedoch bleibt letztlich offen, ob er wirklich tot ist.

Nichtsdestotrotz wurde es in den 80er Jahren reichlich still um den Grafen. Erst 1992 sollte er zurückkehren. Und zwar mit Stil: "Bram Stoker's Dracula" von Francis Ford Coppola ist ein opernhaftes Schauermärchen mit wunderbaren Farb- und Bildkompositionen (Kamera: Michael Ballhaus), das sich halbwegs an die Romanhandlung hält, den Schwerpunkt aber auf die Liebesgeschichte zwischen Dracula und Mina legt. Diese sinkt schnell in des Grafen Arme, verständlicherweise, denn Harker ist wirklich stocksteif. Dabei scheut Coppola vor Kitsch in Reinform nicht zurück, setzt ihn aber dermaßen zwingend um, daß der Film es völlig zurecht zum Kultfilm (und ich gebrauche das Wort wirklich selten) gebracht hat. Sicher ist das nicht jedermanns Sache, in seinem Stilwillen ist Coppola - wertfrei gesprochen - mutig (jeder, der die Frisur des alten Dracula gesehen hat, weiß, wovon ich spreche), und auch sonst hat der Film offenkundige Mängel: Er hetzt sich in einem so hohen Tempo durch die Handlung, daß die Nebenfiguren entweder blaß bleiben oder völlig überzeichnet sind (trotz der hochkarätigen Besetzung: Anthony Hopkins, Winona Ryder, Richard E. Grant etc.), und auch Gary Oldman muß als Dracula so oft Maske und Kostüm wechseln, daß er vieles nur andeuten kann, bis er schließlich von Mina erlöst wird. Dennoch ein ganz großartiger Film, dessen genialen Soundtrack von Wojciech Kilar ich besonders hervorheben möchte.
Auch nach diesem Rundumschlag kam der Graf nicht zur Ruhe. 1995 präsentierte Mel Brooks seine weitgehend witzfreie Parodie "Dracula - Tot, aber glücklich", in der Leslie Nielsen neunzig Minuten gegen Fenster knallen oder auf Fledermauskot ausrutschen durfte. Und mit dem von Wes Craven produzierten "Dracula 2000" (2000) ist der Graf in Gestalt von Gerard Butler im neuen Jahrhundert angekommen.

So weit, so gut. Und was bleibt nach diesem Streifzug durch achtzig Jahre Filmgeschichte?
Im Gegensatz zu z.B. Sherlock Holmes, der, egal wer ihn spielt, doch immer Sherlock Holmes bleibt, hat Dracula seit 1921 viele Gesichter gehabt. Ob als Triebwesen, dekadenter Edelmann, erotischer Verführer, ob als fauchendes Monster, verliebter Softie, als Witzfigur, todessehnsüchtiger Unsterblicher, vampirischer Dandy oder als gewöhnlicher Schurke, ob im 19. Jahrhundert oder in der Gegenwart, ob im Trashfilm oder als Protagonist von Hollywood-Großproduktionen - Dracula hat uns im Film, in jeder nur denkbaren Qualität, jedes mögliche Gesicht gezeigt, und mitleidig könnte man meinen, eigentlich sei nun alles gesagt. Doch andererseits wissen wir auch: Da mag sich Dracula noch so sehr nach Hemator sehnen - im Kino bleibt er, wie Dr. Finistra es ausdrückte, das Wesen, das niemals sterben kann ... (dl)

 
 
 

 

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© Die Gruselseiten (26. Oktober 2001)